„Kannst du am Dienstag die Kinder von der Kita abholen und sie betreuen bis ca 19h?“ fragte ich meine Freundin, welche auch direkt zusagte. Wunderbar! Dann stand der Überlandfahrt ja gar nichts im Wege. Bis auf das Wetter, aber damit hatte ich mich ja inzwischen sowieso arrangiert. Zwangsläufig.
Ich quälte mich also bei Einbruch der Dunkelheit durch den Berliner Norden um dann im Umland durch Ortschaften und Städtchen zu fahren. Mit der Kälte hatte ich gerechnet und war, so denn das denn möglich war, darauf vorbereitet. Nicht zuletzt durch den Einkauf der Thermosocken am letzten Dienstag und dem lieben Nachbarn, der mir seine hochwertigen Motorradstiefel lieh. Doch wirklich tödlich und dem Fahrspaß nicht gerade zuträglich, war der Dauersprühreden, der mich die gesamte Zeit über begleitete.
Doch am Ende war es überstanden und ich kam, diesmal nur halb erfroren, bei meinen Kindern an. Und es ging mir schlecht. Nicht körperlich… Wobei… Doch… Aber nicht der Kälte wegen… Wobei… Doch, auch… Naja, mir ging es vom Kopf her nicht so gut. Denn die Überlandfahrt bedeutete für mich das Ende der Fahrstunden. Ausheulen bei jemandem war nicht, denn es sollte ja niemand wissen, wann ich die Prüfung hatte. So gab es keine Ratschläge, die man nicht hören wollte und ich setzte mich nicht selber so unter Druck, denn niemand würde etwas wissen.
Am Mittwoch fuhr ich ganz normal zur Arbeit, bleib dort die ersten drei Schulstunden und fuhr dann los in die Fahrschule. Da fing es dann an, dieses Gefühl, was man (also ich zumindest) so genau kennt: wenn man vor einer Prüfung steht und genau weiß ‚das geht jetzt voll in die Hose‘. Oder kurz vor einem Tattoo, wo man genau weiß ‚ohoh, jetzt tuts gleich scheiße weh‘. Man weiß einfach, dass etwas blödes passiert und muss trotzdem antreten. So ging es mir zumindest immer, egal ob Tattoo, mündliche oder schriftliche Prüfungen. Der Magen rebelliert, man hat das Gefühl man würde am ganzen Leibe zittern und eine unterschwellige Übelkeit kraucht aus Richtung Zehenspitzen hinauf in die letzte Haarspitze.
Es gibt insgesamt 9 Grundfahrübungen und genau zwei habe ich davon in all den Fahrstunden Fehlerfrei hinbekommen. Alle anderen regelmäßig verhauen und mich noch während der Übungen tierisch und laut fluchend (zum Spaß des Fahrlehrers) über mich selber geärgert. Der Prüfer will 7 dieser Grundfahrübungen definitiv sehen. Fehlerfrei.
Da saß ich armer Tropf nun 80 Minuten vor der Prüfung auf dem gelben Motorrad und verfiel in Panik. Aber nur eine ganz kleine, ohne weinen. Ich konnte ja alles, bis auf diese blöden Grundfahrübungen. Im normalen Verkehr, auf Autobahn (selbst unter widrigen Umständen) und auch auf der Landstraße (unter noch widrigeren Umständen), war ich eine Topfahrerin – OTon des Fahrlehrers-.
Als dann mein Fahrlehrer mit den roten Hütchen, die ich inzwischen so sehr hasste, neben mir stand, straffte ich die Schultern, sperrte die Panik in den Hinterkopf und dachte einfach an meinen Zahnarzt. Warum Zahnarzt? Keine Ahnung, vielleicht, weil ich da auch immer Panik habe. Mit weinen.
Tja und dann absolvierte ich alle 9 Übungen Fehlerfrei. ‚Wehe wenn das gleich mit dem Prüfer nicht so funktioniert, dann kotze ich aber, dass ich es jetzt geschafft habe!‘ dachte ich bei mir und war schon auf dem Weg zum Treffpunkt. Vor Ort stellte sich mir dann eine ganz liebe und nette Prüferin vor, die ein paar Witzchen machte um die Anspannung zu nehmen, tätschelte mir die Schulter, wies mich darauf hin, dass ich vorsichtig sein solle und dann ging es los.
Anders als bei der Autoprüfung sitzt der/die Prüfer/in natürlich nicht direkt hinter einem und man hört auch nichts von ihm/ihr, denn alle Kommandos kommen wie gewohnt vom Fahrlehrer über Funk und so war es ganz einfach, die Situation in Gedanken zu einer normalen Übungsstunde zu modellieren.
Am Übungsplatz angekommen, kam sie zu mir, lobte mich für meine schöne Fahrt zum Platz und sagte, was sie sehen wollte. Dann ging es los und der Teil, vor dem ich am meisten Bammel hatte, nahm seinen Lauf. Einen sehr guten, wie ich fand. Und dann kam die letzte Übung, in der ich sonst nie Probleme hatte UND verkacke! Einatmen, ausatmen und noch einmal, geschafft! Wieder kam sie zu mir, zwinkerte mir zu und sagte, dass das schlimmste geschafft sei und ich mir keinen Kopf machen soll, den Patzer hatte ich ja behoben und jeder darf einen Fehler machen. Jetzt noch eine kleine Spazierfahrt und dann seien wir durch.
Die kleine Spazierfahrt führte mich an allen Lieblingsstellen von Prüfern entlang: Stop-Schilder noch und nöcher, Zebrastreifen, verengte Fahrbahnen, Stadtautobahn, rechts-vor- links ohne Ende, Busspuren, Einbahnstraßen, 30er-Zonen und verkehrsberuhigter Bereich. Dann am eine blöde rechts-vor-links-Kreuzung und da dachte ich dann, es sei vorbei. Wir fuhren zum Startpunkt zurück, die eine Stunde war um.
‚Gratulation, das haben sie alles sehr schön gemacht!‘ sagte sie und ich fragte ganz ungläubig, ob ich bestanden hätte. Sollte man eigentlich nicht machen, doch als sie fragte, wieso ich zweifeln würde, sprach ich die Kreuzung an. Mein Fahrlehrer schaute mich an, als ob ich bekloppt wäre und sie lachte nur und erklärte mir, dass alles wie im Lehrbuch gelaufen wäre.
Ich bekam meinen vorläufigen, nur in Deutschland gültigen, Führerschein ausgehändigt und fuhr ohne Ansagen vom Fahrlehrer zurück in die Fahrschule. Dort gab es dann das, in dieser Fahrschule obligatorische, Siegerfoto mit Schüler und Lehrer und dann war ich quasi schon wieder auf der Arbeit.
Abends kuschelte ich mich dann direkt nach der Arbeit ins Bett und schlief dann 13,5 Stunden durch. So fühlt sich Erleichterung an 😀
Erst heute hab ich es dann so wirklich realisiert und konnte mich daran erfreuen. Ganz zum Leidwesen des Schatzes, der heute dutzende Male zu hören bekam, dass ich nun endlich alle verfügbaren Motorräder fahren darf. Nur nicht mehr dieses Jahr, denn es ist schweinekalt auf Deutschlands Straßen. Ich weiß das genau ^-^